So funktioniert die FIFA-Weltrangliste

Ein kleiner Crashkurs in der FIFA-Mathematik

Sportnews > Für Zwischendurch Veröffentlicht am Wednesday, 14. July 2021

Quelle: picture alliance / Pressebildagentur ULMER | ULMER

Wie kann es sein, dass die belgische Nationalmannschaft seit Jahren Platz 1 in der FIFA-Weltrangliste belegt, aber seit über 100 Jahren, als Belgien 1920 olympisches Gold gewann, keinen einzigen Titel errungen hat? Zeit, für ein bisschen Mathematik…

In vielen Sportarten ist die Ranglistenplatzierung abhängig von der Anzahl gewonnener Partien oder Spiele und im Fußball ist das nicht anders. Dieses „Berechnungsprinzip“ wird als „Elo-System“ bezeichnet und wurde ursprünglich 1960 von dem Physiker Apard Elo für den US-Schachverband entwickelt. Dabei wird jedem Akteur eine sogenannte „Elo-Zahl R“ zugewiesen. Das „R“ steht für „Rating“, also dem englischen Wort für „Wertung“ und ist abhängig von der Stärke des Akteurs. Je stärker die Mannschaft, desto höher die „Elo-Zahl R“. Kommt eine Mannschaft neu in den Wettbewerb, so wird die Stärke des Teams einfach geschätzt. So weit, so einfach.

Kommen wir nun zum etwas anspruchsvolleren Teil und der Frage, wie sich die Punktezahl, also die „Elo-Zahl R“, ändern kann und für etwas Dynamik auf der Weltrangliste sorgt. 
Hierfür nutzt die Fifa eine kleine Formel: P = Palt + I ⋅ ( W – We )

P = Die neue Punktzahl
Palt = Die alte Punktzahl
I = Die Gewichtung des Spiels
W= Das Ergebnis des Spiels
We= Das erwartete Ergebnis des Spiels

Die entscheidenden Werte sind in dieser Formel der zweite Teil der Rechnung, nämlich I ⋅ ( W – We ), denn dieses Ergebnis wird auf die alte Punktzahl addiert und gibt somit die Punktezahl an, welche im Spiel gewonnen oder verloren wurde. 

Die Gewichtung des Spiels (I) hängt von der Art des Spiels ab. 

I = 5, Freundschaftsspiele, außerhalb internationaler Fenster im Spielkalender
I = 10, Freundschaftsspiele, während internationaler Fenster im Spielkalender
I = 15, Gruppenspiele bei Nations-League-Wettbewerben
I = 25, Entscheidungs- und Finalspiele bei Nations-League-Wettbewerben
I = 25, Qualifikationsspiele für Kontinentalmeisterschaften und die WM
I = 35, Spiele bei Endrunden der Kontinentalmeisterschaften bis und mit Achtelfinale 
I = 40, Spiele bei Endrunden der Kontinentalmeisterschaften ab Viertelfinale
I = 50, Spiele bei der Endrunde der WM bis und mit Achtelfinale 
I = 60, Spiele bei der Endrunde der WM ab Viertelfinale 

Sie nimmt in der FIFA-Weltrangliste also großen Einfluss auf den Punktegewinn oder -verlust: Ein WM-Spiel ist mehr wert als ein Freundschaftsspiel.

W stellt das Ergebnis des Spiels dar. Ein Fußballspiel kann auf fünf verschiedene Weisen enden, und jeder dieser Arten ist eine Zahl zugewiesen: 

Sieg (1)
Sieg nach Elfmeterschießen (0,75)
Unentschieden (0,5)
Niederlage nach Elfmeterschießen (0,5)
Niederlage (0).

We ist das erwartete Ergebnis des Spiels, basierend auf den aktuellen Punktwerten der Gegner.
Auch hierzu gibt es eine schmucke Formel für all jene, die gerne selbst rechnen möchten: 
We = 1/(10(–dr/600) +1). 
„dr“ steht dabei für die Differenz der Punktzahl von Gegner A und Gegner B.

Beispielrechnung:

Nehmen wir einmal an, dass Deutschland im Viertelfinale der WM gegen den Weltranglisten-Letzten San Marino (Stand 27.05.2021) spielen würde. Deutschlands alte Punktzahl (Palt) liegt dann bei 1609 und die von San Marino bei 805. Die Gewichtung des Spiels (I) läge bei 60. Das erwartete Ergebnis (We) für Deutschland würde in diesem Fall bei 0,956289152264316 liegen, das für San Marino bei lediglich 0,043710847735684. Hier zeigt sich nun auch der Sinn des erwarteten Ergebnisses. Würde Deutschland gegen San Marino gewinnen (W=1), würde für eine große Nation wie Deutschland gegen San Marino ein minimaler Punktgewinn von 2,62 zu den 1609 Punkten hinzuaddiert. Normalerweise müsste San Marino in diesem Fall 2,62 Punkte verlieren, allerdings gibt es bei K.O.-Phasen der Endrunden keinen Punktabzug.

Deutschland: P= 1609 + 60 ⋅ (1 – 0,956289152264316) ≈ 1611,62
(San Marino: P= 805 + 60 ⋅ (0 –0,043710847735684) ≈ 802,38)

Das Prinzip funktioniert ähnlich wie bei einer Wettquote. Würde der Fußballzwerg San Marino gegen Deutschland gewinnen, wäre der Punktgewinn mit 57,4 deutlich höher.

San Marino: P= 805 + 60 ⋅ (1 –0,043710847735684) ≈ 862,4

Der Punktgewinn oder -verlust richtet sich also nach der Qualität der Mannschaften und der Wettbewerbs-Gewichtung des Spiels. Der Gewinn von Meisterschaften ist bei der Platzierung innerhalb der Weltrangliste zweitrangig. Einer Mannschaft wie Belgien reicht daher das gute Abschneiden bei der WM 2018 (3. Platz) sowie eine makellose EM-Qualifikation von 10 Siegen aus 10 Spielen, um sich auf Platz 1 zu behaupten.

Warum eine Weltrangliste?

Natürlich stellt sich die Frage, wozu eine Weltrangliste überhaupt benötigt wird. Die Antwort ist tatsächlich recht simpel. Im Grunde entscheidet die Weltrangliste darüber, wer in welchen Lostopf für die Qualifikation zur Weltmeisterschaft landet. Wer sich unter den zehn besten Teams für die europäische Qualifikation zur WM befindet, landet somit in Topf 1. Je weiter oben man sich also in der Rangliste befindet, desto eher geht man Duellen mit besonders starken Gegnern aus dem Weg. Einen weiteren Effekt hat die Weltrangliste natürlich auch auf Wettquoten, da sich in der Liste sehr leicht ablesen lässt, wie stark zwei aufeinander treffende Gegner sind. 

Dass diese Methode jedoch auch unfair sein kann, zeigt das Problem mit den Gastgebern. Der Gastgeber eines Turniers bestreitet, da er automatisch qualifiziert ist, keine Qualifikationsspiele für das besagte Turnier. Allerdings haben Spiele in der Qualifikation eine deutlich höhere Gewichtung als beispielsweise Freundschaftsspiele. Durch die mangelnden Pflichtspiele kann eine Mannschaft also im Grunde genommen jede Menge Punkte „verlieren“, beziehungsweise „nicht gewinnen“. Ein Beispiel hierfür wäre die Weltranglistenplatzierung Russlands: Im Vorfeld der WM 2018, welches in Russland ausgetragen wurde, rutschte Russland aufgrund fehlender Pflichtspiele vor der WM von Rang 24 auf 65 ab. Für das Turnier an sich spielte dies zunächst keine Rolle, wohl aber für die Auslosung der Gruppentöpfe für die nächste WM-Qualifikation. Bis dahin hatte sich Russland auf Platz 39 zurückgekämpft, was aber anstatt Topf 2, in dem man gelandet wäre, wenn man Rang 24 halbwegs hätte verteidigen können, nur für Topf 3 gereicht hat.

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