„Die Aufregung kommt so langsam“

Zehnkampf-Hoffnung Niklas Kaul vor Tokio im Interview

Sportnews > Für Zwischendurch Veröffentlicht am Saturday, 17. July 2021

Quelle: picture alliance / DIETMAR STIPLOVSEK / APA / picturedesk.com | DIETMAR STIPLOVSEK

Am 4. August wird es für Niklas Kaul ernst. Dann beginnen für den deutschen Zehnkämpfer vom USC Mainz die Olympischen Spiele. Wir haben uns im Vorfeld mit ihm unterhalten.

Niklas Kaul gilt als einer der größten deutschen Medaillenhoffnungen bei den Olympischen Spielen in Tokio. Als jüngster Zehnkampf-Weltmeister aller Zeiten geht der Saulheimer Physik-Student als einer der Favoriten in den Wettbewerb. Im Gespräch mit vereinsleben.de spricht der 23-Jährige unter anderem darüber wie er mit dem medialen Druck umgeht und was er sich von den Spielen erwartet. Außerdem verrät er, welche internationalen Stars er in Japan gerne treffen würde. 

vereinsleben.de: Niklas, Olympia steht vor der Tür. Wie groß ist deine Vorfreude, dass die Spiele jetzt endlich beginnen?

Niklas Kaul: Ich freue mich natürlich riesig. Wir haben jetzt schon lange daraufhin trainiert und ich habe lange daraufhin gefiebert. Und dann freut man sich natürlich, wenn es demnächst losgeht.

vereinsleben.de: Es werden deine ersten Spiele sein. Bist du aufgeregt? Oder wie fühlst du dich gerade?

Niklas Kaul: Aufregung kommt langsam schon, aber so richtig viel Zeit, um aufgeregt zu sein, hat man eh noch nicht, weil man erst mal alle Dokumente zusammensammeln muss, damit man überhaupt nach Japan reinkommt.
vereinsleben.de: Für dich geht es am 4. August los. Wann fliegst du nach Tokio?

Niklas Kaul: Nach Japan fliege ich am 23. Juli und dann geht es am 1. August von den Vorbereitungstrainingslager aus direkt nach Tokio.

vereinsleben.de: Aufgrund von dem Notstand, der gerade in Tokio gilt, sind keine Zuschauer zugelassen. Wie ist deine Meinung dazu?

Niklas Kaul: Na ja, man muss zuallererst sagen, die Sicherheit der Zuschauer geht vor. Ich hätte mich natürlich gefreut, wenn wir Zuschauer im Stadion gehabt hätten, aber kann auch die Entscheidung durchaus nachvollziehen zu sagen: Die Gesundheit geht eben vor und deswegen werden keine Zuschauer da sein. Deswegen ist es sehr in Ordnung so.

vereinsleben.de: Wie war es für dich als Sportler in der letzten Zeit bis zu den Olympischen Spielen? Du hast gesagt, du musst viele Formulare ausfüllen und alles Mögliche. Zählt eine Impfung dazu oder welche nicht ganz normalen Vorbereitungen aufgrund von Corona musstest du über dich ergehen lassen?

Niklas Kaul: Nein, Impfnachweis oder so zählt gar nicht dazu. Sondern es geht darum, zu organisieren, dass man zwei PCR-Tests vorher nachweisen muss – und die normalen Einreisebedingungen erfüllen muss mit Visum und sofort. Und das ist jetzt in Corona-Zeiten noch mal ein bisschen mehr als sonst. Aber das kennt man so ein bisschen auch schon von vorher – von den vorherigen Wettkämpfen – dass man vorher relativ viel Papierkram zu erledigen kann.

vereinsleben.de: Weißt du, wie die Möglichkeiten vor Ort in Tokio sein werden? Mit Sightseeing wird es wohl eher nichts, oder?

Niklas Kaul: Nein, wahrscheinlich nicht. Der Stand, den ich jetzt habe, ist, dass wir aus dem Olympischen Dort nur rausgehen oder rausdürfen zum Trainieren und für unsere Wettkämpfe, damit die Sicherheit aller dort Beteiligten gewährleistet ist. Es geht nicht nur um Athleten, sondern auch um Betreuer. Von daher dürfen wir wahrscheinlich kein Sightseeing betreiben. Aber ich habe mir da wenig Gedanken darüber gemacht, was und was nicht geht. Sondern lasse es auf mich zukommen und damit relativ flexibel umgehen. Wenn man sich darauf versteift, dass alles doof ist, weil ein, zwei Sachen nicht funktionieren, die normalerweise bei Olympischen Spielen gehen, hat man da wenig Spaß.

Aktuelle Form? „Sehr gut!“

vereinsleben.de: Vielleicht kann man sich dadurch noch besser auf den Wettkampf an sich fokussieren...

Niklas Kaul: Vielleicht. Mal gucken. Ich glaube nicht, dass es für den Wettkampf an sich von Nachteil ist. 

vereinsleben.de: Wie würdest du aktuell deine Form beschreiben? Auch mit Blick auf deine Ellenbogen-OP im letzten Jahr? 

Niklas Kaul: Gut! Sehr gut sogar! Der Ellenbogen macht gar keine Probleme mehr – das aber auch schon länger. Da habe ich gar nichts mehr seit gut vier Monaten. Sonst funktioniert auch alles gut. Die Techniken, das kommt alles Stück für Stück zusammen, gerade zum richtigen Zeitpunkt und man merkt, dass das Training darauf ausgelegt war, im August richtig fit zu sein und Ende Mai oder Anfang, Mitte Juni hat das noch nicht so gut funktioniert. 

Niklas Kaul diskutiert Ende Juni beim Zehnkampf-Wettbewerb in Ratingen mit seiner Trainerin und Mutter Stefanie Kaul. Am zweiten Tag brach er den Wettkampf wie geplant ab. (Bild: picture alliance / SvenSimon | Anke Waelischmiller)

vereinsleben.de: Gemeinsam mit Kai Kazmirek von der LG Rhein-Wied seid ihr die einzigen beiden deutschen Sportler im Zehnkampf, die starten. Habt ihr euch abgesprochen, ob ihr euch vielleicht gegenseitig helfen könnt oder ob das zusammen besser funktionieren kann? 

Niklas Kaul: Klar funktioniert das zusammen besser. Wir haben aber nicht explizit gesprochen, wo man sich wie gegenseitig helfen kann. Das ist auch situationsabhängig. Weil die Probleme, die im Zehnkampf auftreten, leider nicht planbar sind. Von daher wird das in der Situation entschieden, wie man sich gegenseitig helfen kann. Aber das wird in den zwei Tagen auf jeden Fall passieren.

Druck von außen? „Muss mit mir zufrieden sein“ 

vereinsleben.de: Gucken wir zurück: 2019 hast du sensationell den WM-Titel geholt, wurdest von allen Seiten groß gefeiert. Aber damit steigen jetzt auch die Erwartungen an dich. Viele sagen, da wird schon ein Olympiasieg oder zumindest eine Medaille dabei rauskommen. Wie gehst du mit dem Druck um? Belastet dich das oder pusht dich das eher? 

Niklas Kaul: Na ja, ich mache wenig Gedanken darüber, was von außen herangetragen wird. Am Ende muss ich mit meiner Leistung zufrieden sein und hoch erhobenen Hauptes das Olympiastadion verlassen, egal wie es am Ende gelaufen ist. Von daher ist es wichtig, sich auf sich selbst zu konzentrieren, nicht zu gucken, was außen herum passiert. Und groß beeinflussen, welche Platzierung ich am Ende mache, kann ich nicht. Ich kann nur versuchen möglichst nah an meine Bestleistung ran zu kommen oder sie zu übertreffen und dann muss man gucken, wofür es am Ende reicht. 

vereinsleben.de: Wie hast du generell die Zeit zwischen deinem WM-Titel und jetzt erlebt? Corona hat alles überschattet und beeinflusst. Wie war das für dich? 

Niklas Kaul: Eigentlich sind die letzten anderthalb Jahre viel Pendeln zwischen Trainingsstätte und Zuhause gewesen. Und zwischendurch war das Highlight, einkaufen gehen zu können. Viel mehr habe ich nicht gemacht. Aber ich muss noch sagen, dass wir – da spreche ich, glaube ich, für die ganze Trainingsgruppe, die trainieren konnte – wenigstens den Ausgleich mit Training hatte. Das war ganz gut. Und wir hatten wenigstens uns als Trainingsgruppe, wo wir ein paar andere Leute gesehen haben.

2019 feierte Kaul seinen bisher größten Karriere-Erfolg: Im Alter von grade einmal 21 Jahren krönt er sich zum jüngsten Zehnkampf-Weltmeister aller Zeiten. (Bild: picture alliance / SvenSimon | Anke Waelischmiller/SVEN SIMON) 

vereinsleben.de: Was war mit deinem Physikstudium? Hat das geruht oder hast du dafür auch noch Zeit gefunden? 

Niklas Kaul: Nein, dafür habe ich schon auch Zeit gefunden. Gerade letztes Semester deutlich mehr als jetzt. In diesem Sommersemester habe ich mehr diese klassischen Sitzscheine gemacht, bei denen man anwesend muss, aber am Ende keine Prüfung schreibt, sodass ich jetzt in Tokio nicht die Bücher mitnehmen muss zum Lernen. Dann geht das auch im September wieder weiter. 

vereinsleben.de: Noch mal kurz zurück zu Tokio. Gibt es da auch Diziplinen oder Sportarten, die du dir privat angucken möchtest? Geht das überhaupt? 

Niklas Kaul: Soweit ich weiß, dürfen wir das nicht. Ich weiß es aber auch nicht genau. Es kann sein, dass sich das bis dahin noch zwei-, dreimal ändert. Ich weiß es nicht. Ich würde, wenn ich die Zeit hätte, um mir was anzugucken, sehr gern Handball angucken. Aber dann insgesamt alle anderen Sportarten, die vor Ort sind, auch. Gar nicht mal, weil ich sage, ich bin in den Sportarten sehr interessiert. Aber es ist schön, auch andere Sportarten zu sehen und das Feeling zu bekommen, wie Olympia eigentlich ist.

Kaul: „Es gibt nämlich schon ein paar …“ 

vereinsleben.de: Auch das Treffen der Sportler untereinander wird nicht so einfach sein. Aber wenn du dir wünschen könntest, dich mit irgendwem hinzusetzen und mal was trinken zu gehen oder so – wen von den Topsportlern würdest du gern mal treffen? 

Niklas Kaul: Ich weiß gar nicht, wer anwesend ist, während ich da bin. Deswegen ist das schwierig. Klar würde ich mich mit den Handballern gern mal zusammensetzen. Ich glaube, die Fußballer sind außerhalb. Sonst würde ich mit Max Kruse gern einen Kaffee trinken gehen. Aber ja, ich kann überhaupt nicht abschätzen, wie die Bedingungen vor Ort sind. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir uns nur in unseren kleinen Leichtathletik-Mehrkampfteams zusammensetzen können. 

vereinsleben.de: Und wenn du mal spinnen dürftest und sagen würdest: Okay, wenn ich mir, egal welchen Sportler weltweit, der vielleicht anreist, mal zur Seite nehmen und einen Schnack halten kann, wer wäre das? 

Niklas Kaul: Hach, das ist jetzt wirklich schwierig. Es gibt nämlich schon ein paar. Ich würde mich sehr gerne mit Sander Sagosen (Handball / Norwegen, d.Red.) zusammensetzen. Da sind wir wieder beim Handball. Simone Biles (Turnen / USA, d.Red.) zum Beispiel wäre auch sehr interessant, mit der mal zu quatschen. Und aber eben auch in der Leichtathletik Mondo Duplantis (Schweden), Stabhochspringer. Das wären so die Drei, mit denen man sich gerne mal zusammensetzen könnte. 

vereinsleben.de: Können wir uns gut vorstellen. Zum Schluss: Wie sieht dein persönliches Ziel für die Spiele aus?

Niklas Kaul: Ich fühle mich so, als könnte ich persönliche Bestleistung angreifen und das ist auch das Ziel. Also möglichst nah an die persönliche Bestleistung heranzukommen. Man muss natürlich noch gucken, wie kommt man mit dem Wetter vor Ort und den allgemeinen Bedingungen zurecht, aber von der reinen körperlichen Verfassung her ist das möglich. Aber wir haben 2019 gesehen und auch die Jahre davor immer wieder, dass der Zehnkampf seine eigenen Regeln hat. Ich glaube, da muss jeder erst mal gut durchkommen. 

vereinsleben.de: Niklas, wir drücken dir auf jeden Fall ganz fest die Daumen für deine Zeit bei den Olympischen Spielen in Tokio. 

Niklas Kaul: Vielen Dank!

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