Phänomen Platzsturm

Die Chronik eines gefährlichen Trends

Sportnews > Für Zwischendurch Veröffentlicht am Monday, 30. May 2022

Quelle: picture alliance / SVEN SIMON | Anke Waelischmiller/Sven Simon

Platzstürme waren schon immer eine heikle Angelegenheit. Allerdings galten sie meist als ein recht seltenes und eher friedliches Phänomen für besondere Anlässe – bis jetzt. Denn die aktuellsten Geschehnisse aus dem Mai zeigen eine bedrohliche Entwicklung im Profifußball, in der Platzstürme nicht nur „normaler“, sondern vor allem auch gefährlicher werden.

Sie galten lange Zeit als höchstes Jubel-Gut der Fans: Platzstürme.

In den 90er Jahren und Anfang der 2000er Jahre waren sie ein von den Anhängern genutztes friedliches Mittel, um ihrer Freude Ausdruck zu verleihen. Egal ob ein Aufstieg, ein Final-Triumph oder der Sieg gegen den Erzrivalen gefeiert wurde. Die Bilder von tausenden auf den Platz strömenden Menschen waren immer etwas ganz Besonderes – allerdings waren sie die Ausnahme statt der Regel.

Das hat sich inzwischen geändert. Besonders in den vergangenen Wochen haben sich die Vorfälle rapide gehäuft. Und leider nicht immer mit friedlichem Ausgang. Am 20. Mai hatte DFB-Präsident Bernd Neuendorf daher noch gehofft, dass Platzstürme eben nicht zum „Trend“ werden: „Insofern hoffe ich, dass es sich nicht zu einem Trend ausweitet, sondern dass es einzelne Ereignisse bleiben. Irgendwie können die Fans ja auch ihre Freude zum Ausdruck bringen“, so der 60-Jährige.

Die letzten Vorfälle haben gezeigt, dass aus dieser Hoffnung nichts geworden ist. Platzstürme sind eben nichts Besonderes mehr. Der Blick auf die lange Liste von Platzstürmen im Mai offenbart: Das Gedränge bei Platzstürmen wird nicht immer nur häufiger, sondern auch zunehmend gefährlicher!

Die Chronik der Platzstürme im Mai

6. Mai

Der „Platzsturm-Monat“ Mai begann mit dem Einzug der Frankfurter Eintracht in das Finale der Europa League. Nach dem 1:0-Sieg über West Ham United konnten die SGE-Anhänger nicht länger an sich halten und stürmten friedlich den Rasen des Waldstadions.

7. Mai

Schon einen Tag später ging es mit dem Kölner Platzsturm weiter. Die Kölner stürmten nach einer Niederlage den Innenraum des Stadions, um den Einzug in die Europa-Conference-League-Qualifikationsphase zu feiern. Den Kölner Spielern war dabei eigentlich so gar nicht nach Feiern zumute. Immerhin gab es wie auch in Frankfurt keine Verletzten.

Noch am selben Abend drängten sich auch die Schalker Fans in Gelsenkirchen auf den Rasen. Im Jubel um das furiose 3:2 gegen den FC St. Pauli gab es aber auch auf Schalker Seiten nicht nur Gewinner. Aufgrund baulicher Gegebenheiten zogen sich beim Platzsturm 18 Zuschauer Verletzungen zu.

14. Mai

Im Rausch des doch noch geschafften Klassenerhalts kam es nach dem 2:1 des VfB Stuttgarts gegen Köln zu einem Platzsturm. In Stuttgart gab es dadurch sechs Verletzte, von denen einer sogar ins Krankenhaus gebracht werden musste. Außerdem musste eine Person festgenommen werden, weil sie einen Mann bewusstlos geschlagen haben soll.

15. Mai

Nach dem 2:0-Sieg gegen Jahn Regensburg hatten die Bremer den Aufstieg in die Bundesliga gefeiert. Nach dem „obligatorischen“ Platzsturm hatten die Werderaner aber auch insgesamt 20 Verletzte zu beklagen, von denen einige sogar ins Krankenhaus mussten.

Im Anschluss an den bedeutungslosen Sieg über Nürnberg stürmten dann die Schalker zur zweiten Aufstiegsfeier nochmal den Platz. Statt Verletzten kam es dabei zu einem dokumentierten Fall von sexueller Belästigung, bei dem ein Mann einer Frau an den Po sowieso zwischen die Beine griff.

17. Mai

Huddersfield Town unterlag Nottingham Forest im Playoff-Spiel um den Einzug ins Aufstiegsfinale der Premier League. Einen Platzsturm ließen sich die Nottingham-Fans nicht nehmen. Dabei kam es zu einem überaus brutalen Kopfstoß gegen die Sheffield-Ikone Billy Sharp, der sofort blutend zu Boden ging.

19. Mai
Mit dem Klassenerhalt in der Tasche drängten sich Evertons Anhänger nach dem 3:2 über Crystal Palace auf das Spielfeld. Ein „Fan“ bepöbelte den unterlegenen Palace-Coach Patrick Vieira so sehr, dass der Franzose nach dem Provokateur trat.

22. Mai

Der Ansturm der Manchester-City-Fans kam ebenfalls nicht ohne unschöne Szenen aus. Nach dem Gewinn der Meisterschaft durch ein spektakuläres 3:2 gegen Aston Villa attackierten einige Anhänger der „Skyblues“ den gegnerischen Torwart Robin Olsen am Kopf und im Gesicht.

Auch der AC Mailand hatte sich nach langer Durststrecke wieder die italienische Meisterschaft gesichert. Der Platzsturm der Fans wurde von den Milan-Ultras aber sofort heftig bestraft: Die Ultras ohrfeigten die Fans, die vom Platz zurückkehrten, weil die Pokalvergabe sich durch den Platzsturm verzögerte.

29. Mai:

Für den traurigen Tiefpunkt der jüngsten Platzstürme sorgten die Fans des französischen Rekordmeisters AS Saint Etienne. 

Unmittelbar nach der Relegations-Niederlage im Elfmeterschießen gegen AJ Auxerre stürmten viele der Heimzuschauer den Platz. Die angesichts des Abstiegs erzürnten „Fans“ warfen mit Bengalos teilweise gezielt auf andere Zuschauer, während die Spieler den Platz fluchtartig verließen. Über mögliche Verletzte ist zurzeit noch nichts bekannt.

Artikel Teilen