Schumacher am Scheideweg

Zu langsam & zu viele Unfälle: Zweifel an Mick Schumacher mehren sich

Sportnews > Für Zwischendurch Veröffentlicht am Friday, 10. June 2022

Quelle: picture alliance / Eibner-Pressefoto | Eibner-Pressefoto/Alexander Neis

Für Mick Schumacher verläuft die neue Ära der Formel 1 bisher suboptimal. Trotz eines konkurrenzfähigen Haas-Boliden sieht der deutsche Pilot im Vergleich zu seinem Teamkollegen schlecht aus. „Schumi“ Junior befindet sich in einem echten Teufelskreis. Trotzdem wäre es verfrüht, den Sohn von F1-Legende Michael Schumacher schon jetzt abzuschreiben.

15 zu 0 nach sieben Rennen – rein punkte-technisch sieht es für Mick Schumacher im Vergleich zu seinem Teamkollegen Kevin Magnussen alles andere als gut aus.

Während der erfahrene Däne in dieser Saison einen starken fünften Platz als beste Platzierung vorweisen kann, ist die deutsche Formel-1-Hoffnung bisher nicht über Rang elf hinausgekommen. Damit steht Schumacher in seiner gesamten bisherigen F1-Karriere weiterhin ohne Punkte da!

Allerdings hat der Deutsche im letzten Jahr auch keine echte Chance auf Punkte gehabt. Denn 2021 war nicht nur das Auto des Haas-Rennstalls unterlegen, sondern auch sein Teamkollege Nikita Masepin kein echter Maßstab für Schumacher. Seine Debütsaison hat der 23-Jährige daher als reine Lernphase betrachtet.

Neuer Teamkollege

Beides hat sich mit den revolutionären 2022er-Regularien geändert. Das Haas-Auto hat das Potential für Punkte. Und Mick Schumacher bekam aufgrund der Putin-Affinität des Russen Masepin einen neuen Teamkollegen zur Seite gestellt.

Dieser hört auf den Namen Kevin Magnussen und fuhr bereits von 2017 bis 2020 für das US-Team Haas. Der Däne ist eine echte Messlatte für den Sohn von Michael Schumacher und dem Deutschen bisher eindeutig überlegen.

Das gilt nicht nur für die Punkteausbeute. Auch in den Qualifyings ist der 29-jährige Magnussen besser als sein junger Kollege. Im teaminternen Qualifying-Duell steht es 5:2 für Magnussen.

Schumacher steht vor dem „Problem“, dass Magnussen schon immer extrem schnell in den Qualifyings war. Um mithalten zu können, muss sich der 23-jährige Deutsche strecken und übertreibt es dabei gerne mal.

Zu viele Unfälle

Im Qualifying zum GP von Saudi-Arabien führte das sogar dazu, dass „Schumi“ Jr. gar nicht erst starten konnte, weil sein Wagen nach einem Crash zu stark zerstört war.

Schon im vergangenen Jahr war Schumacher trotz eines klaren Siegs im Stallduell gegen Masepin durchaus anfällig für Unfälle. Letztes Jahr zerlegte er sein Auto ebenfalls in Monaco, allerdings noch im letzten Training vor dem Qualifying.

Damals war das „nur“ ein finanzielles Problem, schließlich gab es 2021 für Haas sowieso nichts zu holen.

Jetzt ist der Haas allerdings konkurrenzfähig und durchaus in der Lage in die Punkte pilotiert zu werden. Doch anscheinend ist Schumacher dazu aktuell nicht in der Lage. In Miami zum Beispiel kollidierte er in aussichtsreicher Position mit seinem Kumpel Sebastian Vettel und verspielte damit sämtliche Chancen, endlich seine ersten Karrierezähler in der Königsklasse des Motorsports einzufahren. Im nassen Monaco zerlegte er sein Auto dann gleich komplett.

Kritik von Teamchef Steiner

Das sorgt für Unmut beim eigenen Team, allen voran bei Haas-Teamchef Günther Steiner: „Micks Punkte fehlen dem Team, aber auch ihm. In der Formel 1 gibt es kein Verstecken. Es zählen nur die Ergebnisse und Mick weiß das auch ganz genau. Er kennt die Erwartungen, die bestehen, wenn man einen Teamkollegen hat, der Punkte holt. Dann muss man es ihm gleichmachen und wenn du dies nicht tust, wird es schwierig.“

„So kann es unmöglich weitergehen“, so Steiner weiter. Wenn der Deutsche Punkte holen wolle, dürfe er eben nicht in die Mauern fahren. „Das weiß er auch. Wenn er irgendwo in eine Mauer fährt, ist das ja auch nicht gesund“. Trotzdem werde er Schumacher nicht ständig auffordern, Unfälle zu vermeiden: „Das macht es nur schlimmer. Das erzeugt nur eine Abwehrhaltung“, erklärt der Haas-Teamchef.

Zur Wahrheit gehört aber auch: In den Rennen ist der 23-jährige Pilot durchaus in der Lage, seinen dänischen Stallgefährten zu schlagen. Im internen Rennduell steht es sogar ausgeglichen 2:2. Schlecht für Schumacher ist dabei, dass er Magnussen nur dann schlägt, wenn der Haas ohnehin nicht in Bestform ist. Und für Plätze außerhalb der besten zehn gibt es nun einmal keine Punkte.

Da nützt es dem Sohn des siebenfachen Weltmeisters Michael Schumacher nichts, wenn er wie in Melbourne als 13. vor Magnussen auf Platz 15 ins Ziel kommt. Der Däne hat die starke Performance seines Wagens zu Saisonbeginn schlicht besser genutzt.

Schumacher steckt aktuell in einem Teufelskreis fest, den der ehemalige F1-Fahrer Felipe Massa so zusammenfasst: „Mick muss mehr ans Limit gehen, weil Kevin (Magnussen; Anm. d. Red.) zeigt, was mit dem Haas möglich ist. Wer mehr Risiko eingeht, fliegt auch schneller ab“, so der Ex-Ferrari-Pilot.

Im Vergleich zu Magnussen fehlt dem Deutschen vor allem die Erfahrung: Schumacher ist noch immer erst in seiner zweiten F1-Saison. Er hat als junger Fahrer noch Zeit zu lernen – sofern er sie denn bekommt.

Nicht vergessen sollte man auch, dass die Fehler nicht nur aufseiten Schumachers liegen.

Es gibt schließlich einen Grund für die, nach starkem Beginn zu Saisonstart, dünne Punkteausbeute des Haas-Teams: Die Performance und Zuverlässigkeit stimmen nicht immer. In Spanien explodierten zum Beispiel die Bremsscheiben kurz vor dem Qualifying. Hinzu kommen falsche Strategieentscheidungen wie in Barcelona, wodurch der Deutsche im Rennen nach und nach aus den Top Ten rutschte. 

Alpha-Tauri-Boss: „Ich glaube weiter an ihn“

Die Saison ist natürlich noch sehr lang. Im schnelllebigen F1-Geschäft bekommt Schumacher zurzeit reichlich Kritik. Sogar so viel, dass sein „Mentor“ Sebastian Vettel zu den Journalisten sagt: „Ich habe keinen Zweifel daran, dass Mick mehr kann, als er gerade zeigt. Aber ich finde, ihr (die Medien; Anm. d. Red.) müsst ihn mal ein bisschen in Ruhe lassen.“

Auch Schumachers Teamkollege hielt den Deutschen vor seinen Unfällen für einen „Top-Fahrer“, der eben nicht „nur wegen seines Nachnamens in der Formel 1 ist.“ Diese Wertschätzung wird Magnussen Schumacher trotz der Unfälle auch weiterhin entgegenbringen.

Auch viele Experten zählen ihn aktuell öffentlich an, gerade weil seine Unfälle das Team viel Geld kosten. Der Ex-F1-Pilot und langjährige RTL-Experte Christian Danner wirft Schumacher etwa vor, dadurch „Millionenschäden“ zu verursachen.

Franz Tost, Chef des Red Bull-Nachwuchsteams Alpha Tauri, kennt sich mit Talenten bestens aus. Er sagt zur Situation von Schumacher: „Man sollte Mick jetzt nicht vorschnell abschreiben. Ich glaube weiter an ihn.“ Tost wünscht sich mehr Zeit für den Deutschen: „Die sollte man ihm geben. Es ist erst seine zweite Formel-1-Saison und wir haben völlig neue Autos, die schwer zu fahren sind.“

Neue Chance in Baku

Der Haas-Fahrer versucht, den Druck positiv für sich zu nutzen: „Vielleicht hilft das auch manchmal dabei, schneller zu werden. Das motiviert mich und gibt dem Ganzen eine andere Dynamik“, erklärt der 23-Jährige.

Schumacher ist sich sicher, dass es „nur eine Frage der Zeit“ sei, bis er und sein Team für ihre Bemühungen belohnt werden.

Jetzt steht für ihn erst einmal das nächste Rennen auf einem Stadtkurs an. In Aserbaidschan sind die Wände zwar weiter weg, die Geschwindigkeiten sind aber dafür umso höher. Schumacher selbst meint: „Baku und Monaco sind sehr unterschiedlich, es kommt vor allem darauf an, in den Groove zu kommen. Baku wird sich im Vergleich zu Monaco riesig anfühlen.“

Ebenso riesig ist die Chance für ihn, sich in Baku aus seinem derzeitigen Tief zu befreien. Die Strecke in Aserbaidschans Hauptstadt steht für Chaos wie kaum eine andere. Und: Selbst im chancenlosen Haas aus dem Vorjahr kam der 23 Jahre alte Deutsche auf einem beachtlichen 13. Rang ins Ziel.

Die Ansprüche seines Teamchefs beschränken sich für Baku primär auf das Finanzielle: „Wenn man jetzt Schaden am Auto hat, wird es noch schwieriger. Also hoffen wir, in Baku keine Schäden zu haben.“

Vielleicht erfüllt sich in Baku nicht nur der Wunsch von Teamchef Steiner, sondern auch Mick Schumachers Traum von seinen ersten WM-Punkten. Steiner erhofft sich jedenfalls „in gutes Resultat.“

Aber selbst, wenn der 23-Jährige wieder punktlos bleiben sollte: Nach Baku stehen noch immer 14 Rennen im Kalender. Seine Vergangenheit in den niedrigeren Formel-Klassen zeigt zudem, dass Schumacher nach anfänglichen Rückschlägen in seinen Debütsaisons vor allem im jeweils zweiten Jahr sein volles Potential abrufen konnte.

Fest steht aber auch: Falls Mick Schumacher auch am Saisonende noch nicht das Niveau von Magnussen erreicht hat, sind zumindest ernsthafte Zweifel an seiner Eignung für die Königsklasse des Motorsports berechtigt.

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