Packing ist in aller Munde

Sportnews > Meine Meinung Veröffentlicht am Friday, 17. June 2016

Quelle: Screenshot sportschau.de

Das neue Analyse-Tool wird in den sozialen Netzwerken heiß diskutiert. Braucht die Fußballwelt denn wirklich noch mehr Statistiken?!

Ein Kommentar von Florian Wessendorf

Seit Beginn der UEFA Europameisterschaft 2016 vergeht kein Tag an dem die ARD nicht total begeistert die Spiele anhand der neuen „Packing“ Statistiken analysiert. An sich bezeichnet die „Packing-Rate“ den Wert der überspielten Spieler mit einem langen Pass. Erfunden wurde das Tool von der Firma "Impect", die von Ex-Profi Stefan Reinartz und Jens Hegeler von Hertha BSC gemeinsam gegründet wurde.  

 

Brauchen wir „Packing“ wirklich?

(Quelle:Twitter/Torben Hoffmann)

 

Während die ARD scheinbar nicht genug von dem neuen Tool bekommen kann, hat sich ZDF bewusst dagegen entschieden. Sie setzen auf die altbewährte Spielanalyse mit ihrem Experten Holger Stanislawski am Bildschirm. Die neue Statistik ist natürlich ein viel diskutiertes Thema in den sozialen Netzwerken. Bei den etlichen Werten und Statistiken die im Fußball seit Jahren pro Spiel gemessen werden, ist die Frage nach der Notwendigkeit eine absolut berechtigte. Welche Aussagekraft für den Spielausgang hat es, wenn Mesut Özil mit einem 40m-Pass auf Mario Götze fünf Spieler überspielt und dieser dann mit dem Ball ins Aus rennt? Es ist schon ziemlich undurchsichtig inwiefern Begrifflichkeiten wie 'Torchance kreieren', 'Gegner überspielen' oder 'Überzahl erzeugen' durch das Tool auf einem neuen Level bestimmt werden sollen. Meiner Meinung nach ist das Analyse-Tool mehr Schein als Sein, zumal die Werte der Spieler absolut positionsabhängig sind. Ein Stürmer wird niemals eine gute „Packing-Rate“ erzielen. Innenverteidiger und Zentrale Mittelfeldspieler hingegen haben einen klaren Vorteil. Auch die twitternde Fußballgemeinde sieht das ähnlich. Langfristig ist wohl daran zu zweifeln ob sich „Packing" durchsetzen wird.

 

Langeweile nach dem Karriereende?

Nachdem Stefan Reinartz aufgrund anhaltender Verletzungsprobleme seine Karriere beendet hat, stellt sich die Frage ob seine Innovation ein Hilfeschrei nach medialer Präsenz oder doch nur Geldmacherei ist. Keinen Mensch interessiert es wie viele Spieler jemand überspielt hat. Falls ein Toni Kroos einen überragenden langen Ball über das halbe Spielfeld schlägt, bleibt das sowieso jedem im Gedächtnis. Es ist mir schleierhaft, warum die ARD so einen Werbe-Hype um das „Packing" veranstaltet.

Generell finde ich die Moderation und Analyse der Spiele auf ZDF viel seriöser. Man kann vom ehemaligen St. Pauli Trainer halten was man will, aber dennoch kann man bessere Spieleindrücke sammeln, wenn Szene für Szene analysiert wird. Mittlerweile zählen zu Impects Kunden nicht nur die ARD, sondern auch Profivereine wie Bayer Leverkusen. Anscheinend gibt es den Trainern irgendwelche Aufschlüsse, wenn diese Statistiken ausgewertet werden. Dennoch, der Otto-Normal-Fußballfan braucht kein „Packing".

Der Steilpass ist keine Weltneuheit. Er existiert seit Anbeginn der Sportart Fußball und wurde spätestens nach der Einführung des Abseits 1925 perfektioniert. Den optimalen Steilpass können auf diesem hohen Niveau sowieso nur überaus begabte Fußballer spielen. Wenn der albanische Torwart einen Abschlag unter Bedrängnis in die gegnerische Hälfte schlägt und der Stürmer zufällig richtig steht und mit dem Kopf dran kommt, hat dieser urplötzlich eine verdammt hohe Packing-Rate erzielt. Spielt Julian Draxler allerdings einen traumhaften Pass durch die Gasse zwischen zwei Spielern hindurch und Thomas Müller erzielt einen Treffer, hätte er lediglich zwei Spieler „gepacked". Deshalb macht diese Statistik für mich keinen Sinn. Der Fußballfan erkennt und würdigt einen schönen Steilpass. Dafür brauchen wir keine neue Statistik.

Artikel Teilen